05.09.2023 | Exzellenzcluster

Auf der Suche nach Alternativen zu Benzin und Batterien

Damit die Umstellung auf erneuerbare Energien gelingen kann, bedarf es besserer Energiespeicher. Der vom Wissenschaftsfonds FWF geförderte Exzellenzcluster „Materialien für Energiekonversion und Speicherung“ setzt sich zum Ziel, das dazu noch fehlende Grundlagenwissen zu schaffen. ÖAW-Vizepräsidentin Ulrike Diebold erklärt, wie man dabei vorgeht und worin die Herausforderungen und Chancen bestehen.

Ulrike Diebold, Mitglied des Board of Directors im Exzellenzcluster „Materialien für Energiekonversion und Speicherung“, bei einer Veranstaltung an der ÖAW. © ÖAW/Daniel Hinterramskogler

Die Klimakrise drängt uns, schnell Alternativen zu fossilen Energieträgern zu finden. Dabei ist es mit der Energiegewinnung – etwa in Form von Solar- oder Windkraftwerken – allein noch nicht getan. Schließlich muss die einmal erzeugte Energie auch möglichst effizient umgewandelt und gespeichert werden können.

Ulrike Diebold stellt sich dieser Herausforderung. Die Physikerin und Vizepräsidentin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) forscht seit langem zu diesem Thema. Als Mitglied des Board of Directors im neu gestarteten Exzellenzclusters „Materialien für Energiekonversion und Speicherung“, gefördert vom Wissenschaftsfonds FWF, erklärt sie, wie im Rahmen des interdisziplinären Großvorhabens an vielversprechenden Materialien, etwa zur Wasserstofferzeugung, geforscht wird.

Energiekonversion und Speicherung

Was genau wird im Exzellenzcluster „Energiekonversion und Speicherung“ untersucht?

Ulrike Diebold: Wir haben eine Energie- und Klimakrise, das ist allgemein bekannt. Es muss daher unbedingt einen massiven Umstieg von fossilen Energieträgern auf solche geben, die nicht umweltschädlich sind und kein CO2 verursachen. Das Beste dafür ist Solar- und Windenergie, aus der elektrischer Strom gewonnen werden kann.

Die aus Wind und Sonne gewonnene Energie kann man leider schlecht speichern."

Das passiert ja auch schon, aber da gibt es Einschränkungen. Ist das der Fokus des Clusters?

Diebold: Genau, das passiert schon, aber der Wind weht nicht immer und die Sonne scheint nicht immer. Es gibt Tagesschwankungen und die jahreszeitlichen Schwankungen. Die aus Wind und Sonne gewonnene Energie kann man aber leider schlecht speichern. Wir verwenden für die Speicherung Batterien, aber es ist aus grundlegenden physikalisch-chemischen Gründen endenwollend, wie viel elektrische Energie man damit speichern kann.

Das sehen wir bei den E-Autos, oder?

Diebold: Ja, zum Beispiel. Die Batterien sind groß, schwer und relativ schnell wieder leer. In einer chemischen Bindung wird im Gegensatz dazu sehr viel Energie gespeichert: Sie tanken ihr Auto zwei Minuten lang mit Benzin auf und fahren damit nach Rom. Das ist ja eigentlich erstaunlich. Das funktioniert deshalb, weil in jeder chemischen Bindung ganz viel Energie gespeichert ist. Chemische Energieträger sind also am besten, darum funktionieren ja auch die fossilen Energieträger so gut. Benzin, Diesel oder Kerosin kann man ganz leicht transportieren, denn auf kleiner Masse gibt es eine sehr hohe Energiedichte. Die Frage ist jetzt: Wie können wir aus sauberer elektrischer Energie gut anwendbare chemische Energie speichern? Wie können wir Strom von Solarzellen oder Windrädern verwenden, indem wir Energie speichern?

Wie könnte das funktionieren?

Diebold: Der Ansatz ist, dass man Moleküle umwandelt. In jeder chemischen Reaktion findet ein Transfer von Elektronen statt. Wenn man diesen Transfer gezielt steuert, kann man Moleküle, die wenig Energie in sich haben, in Moleküle umwandeln, die viel Energie in sich haben. Das funktioniert am besten, wenn man ein Molekül auf eine Oberfläche setzt. Dann bringt man gezielt das Elektron auf die richtige Bindung und steuert damit eine chemische Reaktion. Die Prozesse wirklich im Einzelnen grundlegend zu verstehen – wie setzt sich ein Molekül auf die Oberfläche, wie muss ich das Material der Oberfläche gestalten, damit das möglichste energieeffizient passiert, darum geht es in unserem Cluster – weniger um die technischen, als um die chemisch-physikalischen Vorgänge, die damit verbunden sind.

Wasserstoff als Hoffnungsträger

It works much better than we understand it but not nearly well enough."

Die Hoffnungen ruhen bei dieser Art von Energiegewinnung ja auf Wasserstoff, der aber noch wenig eingesetzt wird. Warum? Weil wir die von Ihnen beschriebenen Vorgänge noch zu wenig verstehen?

Diebold: Genau. Im Englischen sagt man: It works much better than we understand it but not nearly well enough. Es geht, aber wir verstehen es noch nicht gut genug, und es funktioniert auch noch nicht gut genug. Wir forschen daran, wie wir den Wasserstoff besser herstellen können, also das Wasser in seine Bestandteile aufzuspalten.  Oder idealerweise CO2 rückzuverwandeln, zum Beispiel in Alkohol. Es gibt Materialien, die das direkt machen. Das nennt sich dann Eletrokatalyse. Das ist ein großer Teil unseres Clusters. Der andere Teil ist die Photokatalyse. Hier wird Sonnenlicht direkt für chemische Umwandlungen auf Materialoberflächen verwendet, ohne den Umweg über elektrischen Strom aus Photovoltaik.

Wie macht man das?

Diebold: Das ist fantastisch! Es gibt Materialien, die mischt man mit Wasser, lässt Sonnenlicht drauf scheinen und heraus kommt Wasserstoff und Sauerstoff.

Um das geht es: Wir wollen es besser verstehen und effizienter machen."

Was sind das für Materialien?

Diebold: Das ist ein Pulver, das aus einer Chemikalie besteht. Daraus kann man sofort Wasserstoff und Sauerstoff machen, da braucht man gar nichts anderes, das blubbert und dann ist es da. Das Problem ist: Es wird nur ein ganz kleiner Teil des Sonnenlichts aufgenommen, nur das UV-Licht und nicht alle Wellenlängen, die es gibt. Also wieder ist es so: Wir verstehen es noch nicht gut genug und es funktioniert auch noch nicht gut genug. Um das geht es: Wir wollen es besser verstehen und effizienter machen.

Chemische Energie

Gibt es weitere Vorteile dieser Art der Energiegewinnung?

Diebold: Die langfristige Energiespeicherung ist einfach mit chemischen Bindungen am effizientesten. Und unsere ganze Gesellschaft ist mit der gesamten Infrastruktur drauf eingestellt. Wir können mit Tankwägen oder Pipelines sehr leicht chemische Stoffe von A nach B schicken. Es ist sehr wichtig, dass man auf diese Infrastruktur zurückgreifen kann. Mit Stromleitungen wäre das wahnsinnig schwierig, weil diese schnell überlastet sind. Das Energienetz auszubauen ist auch deshalb problematisch, weil es Schwankungen unterliegt. Der Übergang von Sonnenenergie auf chemische Energie ist einer der wesentlichen Knackpunkte.

Warum ist es wichtig, dass die Forschung daran in einem großen, interdisziplinären Cluster durchgeführt wird?

Diebold: Elektrokatalyse und Photokatalyse sind zwei überlappenden Forschungsfelder der Physik und Chemie, die gut miteinander funktionieren. Zuerst kommen die Physiker, so wie ich, die sich ganz genau anschauen und berechnen, wie das Molekül auf der Oberfläche sitzt. Die nächsten sind die Chemiker, die die Materialien mit den physikalischen Konzepten besser designen können. Wir wollen auch eng mit der Industrie zusammenarbeiten, weil wir ja angesichts des Klimawandels wenig Zeit haben. Der Übergang von einem zum anderen, der Wissenstransfer, dass man das gleiche Material in verschiedenen Komplexitätsstufen untersucht, daran hat es noch gehakt. Und deswegen ist es so wichtig, dass wir unter der Leitung der TU gemeinsam mit der Uni Wien, der Uni Innsbruck und dem IST Austria in einem interdisziplinären Cluster forschen. Es kann gar nicht genug Leute geben, die sich mit diesem komplexen Problem beschäftigen. Outreach, Education, Policy sind Schlagworte, die über die reine Forschung hinaus gehen und auch Teil des Clusters sein sollen.

Kapazitäten nutzen

Wird dem Thema in Österreich genug Aufmerksamkeit geschenkt?

Diebold: Wenn ich schaue, was in anderen Ländern schon passiert, gibt es das in Österreich noch nicht in dieser Breite. Ich bin sehr froh, dass wir die FWF-Finanzierung des Clusters bekommen haben, denn ich glaube, wir haben unheimliche Kapazitäten, und die wurden bisher nicht genützt.

Wir sind stolz darauf, dass die ÖAW hier nicht nur substanziell beiträgt, sondern auch führend ist."

Die ÖAW ist an drei weiteren Exzellenzclustern beteiligt: Quanten, Eurasien und Mikrobiome sind die Schlagworte zu den Forschungsgebieten. Wie beurteilen Sie das als ÖAW-Vizepräsidentin?

Diebold: Die verschiedenen Themengebiete spiegeln die Breite der exzellenten Wissenschaft in Österreich wider. Die Cluster behandeln brisanten Fragestellungen, die man nur in großen Teams beantworten kann. Wir sind stolz darauf, dass die ÖAW hier nicht nur substanziell beiträgt, sondern auch führend ist.

 

Auf einen Blick

Ulrike Diebold