01.08.2023 | Tierstimmen

Die Sprache der Giraffen

Giraffen sind die „Statisten der Savanne“. Obwohl sie den Rekord der größten Landtiere der Welt halten, mit bis zu 60 km/h laufen können und besonders weitsichtig sind, fanden sie in der Forschung bisher kaum Beachtung. Dass Giraffen auch eine Stimme haben und mit einer Bandbreite von akustischen Signalen kommunizieren, zeigt ein neues Forschungsprojekt von ÖAW-Biologe Anton Baotic.

Um die Tierstimmen aufzunehmen, wird ein Kopfhalter mit Mikrofon verwendet, auch an freilebenden Giraffen. © Anton Baotic

Das Verhalten von Giraffen ist bisher weitgehend unerforscht. Obwohl sie in stabilen Sozialgefügen leben, ähnlich wie Elefanten, galten sie lange Zeit als stumme Einzelgänger. Das hat sich jetzt geändert. Wie Elefanten, die sich mit tieffrequenten Tönen, dem sogenannten Infraschall, verständigen, haben auch Giraffen ihre ganz eigene Sprache.

Von Summen bis Grunzen

Anton Baotic vom Institut für Schallforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) hatte bereits an der Kommunikation von Großen Pandas und Elefanten geforscht, als die Giraffen sein Interesse weckten. „Ich habe im Tierpark Berlin mit ersten Tonaufnahmen gestartet. Da man von Giraffen weiß, dass diese nicht nur tag-, sondern auch nachtaktiv sind, habe ich Aufnahmegeräte auf die Nachtstunden programmiert und in den Unterbringungen der Giraffen installiert.“

Damit war klar, dass Giraffen keine stummen Tiere sind. Man hört sie vielmehr laut und deutlich.

Mit überraschenden Ergebnissen: „Ich konnte verschiedene Laute wie Summen, Grunzen, Schnauben und Prusten aufnehmen. Ich habe sie dann auch den Tierpfleger:innen vorgespielt, welche diese ebenfalls noch nie gehört hatten. Wir waren alle sehr verblüfft.“ Baotic wiederholte das Akustikmonitoring auch in anderen Zoos, dem Tiergarten Schönbrunn in Wien und dem Zoo von Kopenhagen. Auch dort zeichnete er akustische Signale auf. „Damit war klar, dass Giraffen keine stummen Tiere sind. Man hört sie vielmehr laut und deutlich.“

Bedeutung der Laute wird erforscht

Das führte zu zahlreichen Fragen: Welche Bedeutung haben die aufgenommenen Laute? Welche Relevanz hat Akustik für das Verhalten der Giraffen? Wann setzen sie die Geräusche ein? „Wir wissen nicht, welche Signale von Männchen, Weibchen oder Jungtieren kommen und auch nicht, in welchem Kontext diese ausgestoßen werden. Also etwa, wenn sie verärgert sind oder sich gestört fühlen“, erklärt der Tierstimmenforscher. Um diese Fragen zu beantworten, beschäftigt sich Anton Baotic nun im Rahmen eines mehrjährigen Projektes weiter mit der Kommunikation der Giraffen.

Zootiere und freilebende Giraffe untersucht

Für seine Forschung arbeitet Baotic wieder mit den zoologischen Gärten Berlin zusammen. Um die Tierstimmen aufzunehmen, wird ein Kopfhalter mit Mikrofon verwendet. Während ein Berliner Giraffenmännchen darauf bereits trainiert wurde, sollen auch freilebende Giraffen mit der Methode untersucht werden. „Durch den südafrikanischen Partner Africa Wildlife Tracking und in Zusammenarbeit mit der University of the Free State konnten wir vier Giraffen in Südafrika, zwei Weibchen und zwei Männchen, ebenfalls mit einem weiterentwickelten Halfter-Prototypen ausstatten.“

Anschließend wird der Biologe die Halfter wieder einsammeln. „Diese sind mit einem Drop-off Mechanismus ausgestattet, wurden also programmiert sich an einem bestimmten Tag zu öffnen und abzufallen beziehungsweise abgeschüttelt zu werden“, beschreibt Baotic. Zusätzlich sind auch Playback-Experimente geplant. „Dabei werden Giraffen aufgenommene Laute vorgespielt, um die Reaktion darauf zu analysieren.“

Sie sind eine Art Statisten der Savanne, deren Existenz aber stark bedroht ist.

Schutz für Giraffen

Mit seinem Projekt will der Forscher auch auf die Situation der Giraffen aufmerksam machen. „Sie sind eine Art Statisten der Savanne, deren Existenz aber stark bedroht ist. Wichtig ist deshalb, dass man ein Bewusstsein für diese Tiere schafft und verdeutlicht, dass wir eine Verantwortung haben, sie zu schützen. Durch das Aufzeigen ihrer Kommunikation miteinander könnten sie zu mehr Bedeutung gelangen“, so Baotic. Die Forschung zu Giraffenlauten könnte außerdem die Haltungsbedingungen in Zoos verbessern. „Wissen wir, wie sie Laute einsetzen und ihre Umgebung wahrnehmen, hilft das bei einer artgerechten Haltung.“

 

Auf einen Blick

Anton Baotic studierte Biologie mit Schwerpunkt Zoologie an der Universität Wien, wo er 2018 mit seiner Dissertation zum Thema „Describing and decoding low-frequency vocalizations in two species of large terrestrial mammal species" zum Doktor der Biologie promoviert wurde. Seit 2021 forscht er am Institut für Schallforschung der ÖAW zur akustischen Kommunikation von Tieren. Das Projekt „The relevance of acoustics for giraffe behavior and ecology“ wird mit Mitteln des Wissenschaftsfonds FWF finanziert und läuft noch bis 2026.

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