28.07.2023

ÖAW-Science Books: Wissenschaftsbücher für den Sommer

Urlaub auf dem Mars, per Zeitreise ins 16. Jahrhundert oder auf eine Expedition zum Nordpol: Die Österreichische Akademie der Wissenschaften reist diesen Sommer zu ausgefallenen Destinationen. Mit den „ÖAW-Science Books“ empfehlen wir Bücher mit Wissenschaftsbezug, die nicht nur in fremde Welten entführen, sondern auch spannende, wissenschaftliche Fragen stellen. Von der Literaturwissenschaft bis zur Weltraumforschung, vom Klassiker bis zum Bestseller, decken die Bücher eine Bandbreite von fiktionalen Geschichten und wissenschaftlichen Themen ab – ganz egal, ob der Sommerurlaub heuer am See, am Meer oder auf Balkonien stattfindet.

Ob am See, am Meer oder auf Balkonien, mit den "ÖAW-Science Books" geht die Reise an entlegene Orte. Nebenbei stellen die ausgewählten Bücher spannende wissenschaftliche Fragen. © Shutterstock

Wer war die Ehefrau von William Shakespeare?

"Judith und Hamnet" von Maggie O’Farrell

In einer Sache ist sich die Shakespeare-Forschung einig: Über die Ehefrau des Dichters, Anne Hathaway (1556-1623), ist wenig bekannt. Trotzdem wurde sie von Shakespeare-Biografen lange Zeit als ungeliebte, nörgelnde Ehefrau beschrieben, die der Karriere ihres Mannes im Weg stand. Und das, obwohl wir von ihr kaum mehr wissen als die groben Eckpunkte ihres Lebens.

Maggie O’Farrell setzt dieser Frau, die als Yoko Ono der Literatur gilt, in dem Roman Judith und Hamnet (Piper Verlag 2020) ein Denkmal. Das Buch erzählt von der Ehe zu dem acht Jahre jüngeren William Shakespeare, der Geburt ihrer drei Kinder und dem Tod des Sohnes Hamnet, der 1596 an der Beulenpest starb. Der Frage, wie der Pesterreger nach Stratford kam, widmet die Autorin ein epidemiologisches Kapitel, in dem sie die Reise der Krankheit von Alexandria bis England verfolgt.

Die Autorin zeichnet in Judith und Hamnet ein lebhaftes Bild des ländlichen Englands im 16. Jahrhundert. Auch wenn sie sich in ihrer Darstellung von Shakespeares Familie künstlerische Freiheit erlaubt, gelingt ihr dennoch der Spagat zwischen historisch und modern. Judith und Hamnet ist also ein spannender historischer Roman, der einer vergessenen Frauenfigur aus der Geschichte eine Bühne gibt.

Was passiert, wenn wir durch die Zeit reisen?

"Sea of Tranquility" von Emily St. John Mandel

Vom Vancouver Island im Jahre 1912 zu einer Mondkolonie fünf Jahrhunderte Jahre später: Bei Emily St. John Mandel sind Menschen selbst in den Weiten von Zeit und Raum verbunden. 

Der achtzehnjährige Edwin St. Andrew reist kurz nach der Jahrhundertwende in einem Dampfer über den Atlantik, nachdem ihm eine etwas unbedachte Äußerung zur britischen Kolonialgeschichte bei einer elterlichen Dinnerparty den Rauswurf bescherte. Die Schriftstellerin Olive Llewellyn ist 200 Jahre später auf einer Buchtour rund um die Erde, als sie mitten in eine Pandemie gerät. Und noch einmal mehrere Jahrhunderte danach muss Gaspery-Jacques Roberts auf einer fernen Mondkolonie eine heikle Mission antreten: Er soll eine Anomalie in der Zeit untersuchen, die ihn unerklärlicherweise mit St. Andrew und Llewellyn verbindet. 

Sea of Tranquility (Vintage 2023) stellt die Frage, was passiert, wenn sich unsere Leben durch die Zeit berühren und wir mit Menschen zusammentreffen, die nicht nur räumlich sondern über ganze Jahrhunderte von uns getrennt sind. Das Buch geht dieser Frage weniger in einem physikalischen als in einem philosophischen Sinne nach: Treffen wir am Ende auf uns selbst? Und was passiert dann?

Unser Mann am Mars

"Der Marsianer" von Andy Weir

Was braucht man, um am Mars zu überleben? Kartoffeln. Am besten selbst angebaut. Klingt verrückt? Ist es auch. Aber Andy Weir hat für sein Buch genauestens recherchiert. Auch wenn nicht jedes Details wissenschaftlich beweisbar ist: Grundsätzlich ist es möglich, auf dem Mars Kartoffeln anzubauen. Aber warum überhaupt Kartoffeln?

Sie bilden die Lebensgrundlage von Mark Watney. Der NASA-Astronaut wurde bei einem Unfall unbeabsichtigt von der übrigen Crew auf dem Mars zurückgelassen – und nun geht es für ihn ums nackte Überleben. Keine leichte Aufgabe auf einem Planeten mit Durchschnittstemperaturen um die -63 Grad und einer Atmosphäre, die zu 95 Prozent aus Kohlendioxid besteht.

Doch Watney ist Wissenschaftler. Und sein Wissen, seine Neugier und sein Erfindergeist retten ihn. Als er schließlich auf Satellitenbildern von der NASA entdeckt wird, setzt die wohl einzigartigste Rettungsaktion in der Geschichte der Menschheit ein. Und die Frage ist: Schafft der Der Marsianer (Heyne 2015) es zurück auf die Erde?

Eine Reise zum Nordpol

"Die Schrecken des Eises und der Finsternis" von Christoph Ransmayr

Ein Aufbruch ins Ungewisse, große Gefahren und erstaunliche Entdeckungen – die österreichisch-ungarische Nordpolexpedition (1872 bis 1874) verfügt über alles, was es an Zutaten für eine klassische Abenteuergeschichte braucht.  Aus dieser historischen Vorlage zauberte der österreichische Literat Christoph Ransmayr eine ebenso ungewöhnliche wie beeindruckende Erzählung.

Zwischen Reportage, historischem Roman und fiktiver Reisegeschichte wechselnd, werden die Leser:innen in Die Schrecken des Eises und der Finsternis (S. Fischer 2014) auf eine Fahrt in die Vergangenheit entführt. Die geschickt miteinander verwobenen Handlungsstränge ziehen einen in ihren Bann. Weiterer Vorzug dieses Romans: Sogar rein geistige Ausflüge in den eisigen Norden vermögen so manch heiße Sommertage erträglicher zu machen.

Kultige Science-Fiction

Die "Foundation"-Trilogie von Isaac Asimov

Ist die Zukunft berechenbar, wenn man Gegenwart und Vergangenheit genau kennt? Rund um diese philosophisch-mathematische Fragestellung baute der russisch-amerikanische Autor Isaac Asimov ab Mitte des 20. Jahrhunderts seinen heute weltberühmten Foundation-Zyklus.

Das Werk, das als eines der großen Klassiker der Science-Fiction gilt, bietet dabei deutlich mehr als eine nüchterne Auseinandersetzung mit einem theoretischen Gedankenspiel – in den Büchern übrigens „Psychohistorik“ genannt. Denn Asimov schuf in Foundation eine sich über Jahrhunderte – und viele Bände – erstreckende Erzählung, in der sowohl die großen Geschichten von Zivilisationen als auch die individuellen Schicksale und Beziehungen einzelner Menschen Platz finden. Starker Stoff, aus dem nicht nur Träume sind, sondern inzwischen auch die gleichnamige Fernsehserie eines großen Streaming-Anbieters.

Das Monster in uns

"Frankenstein" von Mary Shelley

In einem kalten Sommer im Jahr 1816 verdunkelte der Ausbruch eines indonesischen Vulkans den europäischen Himmel. Die damals 19-jährige Mary Shelley zog sich mit einer Gruppe von Freunden in eine Villa am Genfer See zurück. Der illustre Kreis – darunter der englische Dichter Lord Byron und Marys Ehemann Percy Bysshe Shelley – vertrieb sich die Zeit mit dem Erfinden von Geistergeschichten. Dass Marys Beitrag, die Geschichte eines Wissenschaftlers, der ein Monster erschafft, zum ersten Science-Fiction Roman der Welt werden würde, vermutete damals wohl neimand. 

Auch mehr als 200 Jahre später, stellt Mary Shelleys Frankenstein oder der moderne Prometheus (Reclam 2018) Fragen, die die Wissenschaft noch heute beschäftigen. Was darf sich die Wissenschaft herausnehmen? Welche Verantwortung hat sie? Und was, wenn Wissenschafler:innen „Gott“ spielen? In Zeiten von künstlicher Intelligenz und humanoiden Robotern ist Frankenstein so relevant wie nie zuvor.

Die Kaiserin als Dichterin

"Das poetische Tagebuch der Kaiserin Elisabeth“ von Brigitte Hamann

Ob als Musical, Filmikone oder Tourismusliebling – Die Geschichte der Kaiserin Elisabeth zieht uns auch heute noch in ihren Bann. Doch wie schrieb „Sisi“ selbst über ihr Leben? Wo fand sie – neben Reiten, Reisen und Extremdiäten – einen Ausweg aus dem strengen Hofzeremoniell?

Das poetische Tagebuch der Kaiserin Elisabeth von Brigitte Hamann (Hrsg.) (Verlag der ÖAW 1997) wirft einen Blick hinter die Kulissen des kaiserlichen Lebens. Anhand ihrer Gedichte, die sie vor ihren Zeitgenossen verheimlichte, kritisierte „Sisi“ nicht nur den Hof und die Politik ihrer Zeit, sondern ließ auch ihrer Frustration freien Lauf. Auch wenn es sich bei den Gedichten nicht um literarische Meisterwerke handelt, sind die Gedichte von Kaiserin Elisabeth eine einzigartige, historische Quelle, die die Abgründe des österreichischen Hofs offenlegt.