24.09.2023 | Regulierung von Genaktivität

Springende Gene hemmen oder Zelldifferenzierung steuern

Die Individualentwicklung von Pflanzen und Tieren geht mit einer selektiven Deaktivierung von Genen für unterschiedliche zelluläre Aufgaben einher. Für die Regulierung des Prozesses ist der "PRC2-Proteinkomplex" wichtig. Nun haben Molekularbiolog:innen der ÖAW herausgefunden, dass PRC2 im Lauf der Evolution zunächst eine andere Aufgabe hatte, nämlich springende Gene zu hemmen, wie er es noch heute in Einzellern macht. Die Studie über Funktionswandel und Aufgaben-Mix von PRC2 wurde in Current Biology publiziert.

Die Studie legt nahe, dass uralte Transposon-Elemente in den stammesgeschichtlich jungen Blütenpflanzen an der Regulierung von proteinkodierenden Genen beteiligt sind. © AdobeStock

In der Fruchtfliege hat man den Eiweißkomplex "Polycomb-Komplex 2" (PRC2) bereits vor Jahrzehnten in seiner Funktion beschrieben. Später konnten diese Erkenntnisse für vielzellige Organismen – Tiere, Pflanzen, Pilze – bestätigt und in der Wirkung spezifiziert werden. Dann aber entdeckte man PRC2 auch in Einzellern, denen eine differenzierende Entwicklung gänzlich fehlt. War also PRC2 ursprünglich gar nicht für die Kontrolle der Entwicklungsgene verantwortlich? Frédéric Berger und seine Forschungsgruppe am GMI – Gregor-Mendel-Institut für Molekulare Pflanzenbiologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaft (ÖAW) folgten einem Hinweis aus Studien an Rotalgen: Dort hinterließ PRC2 Methylierungsspuren auf Transposons, das sind "springende" Gene, die ihre Position im Genom wechseln können. Das Team vom GMI untersuchte nun in einer internationalen Zusammenarbeit mit Forscher:innen der Freien Universität Berlin, der Universität Cambridge, der Universität Nantes, des National Institute of Genetics (Japan) und der Monash University, welche Rolle PRC2 bei drei evolutionär ursprünglichen Linien spielt.

Evolutionärer Funktionswandel

Die Forscher:innen wählten Organismen aus, die am Beginn des Stammbaums von Pflanzen bzw. Tieren oder Pilzen stehen. In ausgeklügelten Settings genetischer Modifikationen testeten sie, zu welchem Anteil PRC2 auf Transposons wirkte oder Entwicklungsgene regulierte. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass PRC2 in den fernen Abstammungslinien springende Gene hemmt. Das definiert diese Funktion als eine, die in den Vorfahren aller drei Abstammungslinien entstanden ist. Der Ursprung von PRC2 lag wahrscheinlich in erster Linie im Schutz des Genoms vor einer Invasion durch Transposons", erklärt Frédéric Berger, Gruppenleiter am GMI und korrespondierender Autor der Studie.

Der Ursprung von PRC2 lag wahrscheinlich in erster Linie im Schutz des Genoms vor einer Invasion durch Transposons, erklärt Frédéric Berger,

Im Laufe der Evolution verlagerte sich die Funktion von PRC2 allmählich von der Unterdrückung springender Gene zur Stilllegung proteinkodierender Genen – jener Rolle, die zuerst in der der Fruchtfliege beschrieben worden war. Der Funktionswandel hat sich nicht abrupt vollzogen: PRC2 kann in einem Organismus beide Rollen innehaben. So fanden die Forscher:innen in heutigen Landpflanzen uralte Transposons, die immer noch Ziele für PRC2 sind. Das erklärt Tetsuya Hisanaga so: "In blühenden Pflanzen, wie Arabidopsis, die sich erst in jüngerer Zeit entwickelt haben, sind Reste von Transposons vorhanden. Diese rekrutieren PRC2, um Gene in ihrer Nähe zum Schweigen zu bringen." Der Postdoktorand in der Gruppe von Berger und Erstautor der Studie vertritt die Hypothese, "dass einige Transposon-Elemente in Arabidopsis domestiziert wurden und nun dazu beitragen, Netzwerke proteinkodierender Genen  zu regulieren".

 

 

Auf einen Blick

Publikation:

Hisanaga T., Berger F. et. al., Polycomb Repressive Complex 2 deposits H3K27me3 and represses transposable elements in a broad range of eukaryotes. Current Biology, 2023. DOI:  doi.org/10.1016/j.cub.2023.08.073