05.03.2024 | Feministische Theologie

Von Eva bis Maria Magdalena: Frauen in der Bibelgeschichte

Frauen spielten im frühen Christentum eine bedeutende Rolle: So wurde etwa die Nachricht von der Auferstehung Jesu zuerst einer Frau anvertraut. Laut Kirchenhistorikerin Uta Heil, die am 8. März einen Vortrag an der ÖAW hält, wurden Frauen im Laufe der Verschriftlichung der Kirchengeschichte aber Stück für Stück marginalisiert.

© AdobeStock

Wie wurde die Apostelin Junia zum Apostel Junias? Und welche Auswirkungen hatte die Erzählung des Sündenfalls auf die Stellung von Frauen in der Kirche? Uta Heil, Kirchenhistorikerin und Dekanin der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, erklärt im Interview, wie starke Frauenfiguren in der Bibel zum schwachen Geschlecht wurden. Anlässlich des Weltfrauentags spricht sie im Rahmen der Reihe „8ung auf Frauen“ der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) über die Frage, wie der Sonntag als Fixpunkt des Wochenrhythmus zu seiner Bedeutung kam.

Feministische Theologie 

In den 1980er und 1990er Jahren war die Zeit der feministischen Theologie. Frauen begannen die männliche Interpretation der christlichen Tradition in Frage zu stellen. Was ist heute davon übrig?

Uta Heil: Die feministische Theologie hat besonders in Bezug auf die Exegese der Bibel sehr viel bewirkt. Was damals vielleicht ein Aufreger war, ist inzwischen eine Selbstverständlichkeit. Ein bleibendes Verdienst der feministischen Theologie ist es, der Tendenz, die Frauen unter den Tisch fallen zu lassen, entgegenzuwirken, sie wieder hervorzuheben und ihre historische Rolle entsprechend einzusortieren. Trotzdem wird beispielsweise in der katholischen Kirche immer noch argumentiert, dass Priester und der Klerus nur männlich sein können, weil auch Jesus und die Apostel männlich waren. Anders in der evangelischen Kirche: Hier ist es mittlerweile eine Selbstverständlichkeit, dass auch Frauen von der Kanzel predigen – auch wenn noch keine volle Gleichberechtigung erreicht ist.

Texte von Frauen hielt man nicht für wertvoll genug, um sie zu überliefern.

Die Bibel ist im Kontext ihrer 2000 Jahre alten Geschichte zu verstehen. Wie viel feministische Lesart lassen die überlieferten Texte zu?

Heil: Es gibt darunter auch Texte, die die Möglichkeit zu einer feministischen Interpretation bieten. Etwa die Hinweise auf die Frauen im Umkreis Jesu. Eine von ihnen ist Maria Magdalena, die erste Zeugin seiner Auferstehung. Im Laufe der Verschriftlichung durch Männer wurde die Bedeutung von Frauen sukzessive an den Rand gedrängt. Texte von Frauen selbst hielt man damals offenbar nicht für wertvoll genug, um sie zu überliefern. Dennoch sind noch Spuren ihres Wirkens auffindbar. Aber: Die Bibel ist ein historischer Text, den man nicht nach heutigen Parametern einfach so umschreiben kann. Die Texte spiegeln die Kultur ihrer Zeit wider.

Die Frau als Sünderin 

Als Kirchenhistorikerin haben Sie sich viel mit der Schriftauslegung der sogenannten Kirchenväter beschäftigt. Wann begann es, dass Frauen zurückgedrängt wurden?

Heil: Das ist ein weites Feld und beginnt mit der Erzählung über die Vertreibung aus dem Paradies (Genesis 2-3). Eva ist hier diejenige, die zuerst die Frucht nimmt und dann an Adam weiterreicht, was in der biblischen Erzählung als Sündenfall, den die Frau verursacht habe, gedeutet wird. Die Geschichte wird dann in der christlichen Exegese mit einem Gegenbild ergänzt: So wie durch eine Frau die Sünde in die Welt kam, so muss sie in der heilsgeschichtlichen Logik durch eine Frau wieder korrigiert werden – deswegen musste eine Frau als Erste Osterzeugin auftreten (Maria Magdalena). Extremer interpretiert: Die Frau als das schwache Geschlecht verfällt eher der Sünde, sie hat es also viel dringender nötig erlöst zu werden. Diese Geschichte vom Sündenfall hat in der christlichen Interpretation viel Unheil über die Frauen gebracht. Das kann man gar nicht überschätzen.

Eine der wichtigsten Figuren war Maria von Magdalena, deren Evangelium nicht in den Kanon der Bibel aufgenommen wurde. Stattdessen hat die Kirchengeschichte aus ihr eine Prostituierte gemacht.

Heil: Wir haben Fragmente von einem Dialog-Evangelium der Maria überliefert. Diese Maria ist sehr wahrscheinlich Maria Magdalena. Aber wir haben in der neutestamentlichen Überlieferung verschiedene Frauenfiguren, die Maria heißen, und die verbinden sich im Laufe der späteren Deutung zu einer Figur. So wird aus der wichtigsten Osterzeugin, auf deren Zeugnis der Auferstehung Jesu das Neue Testament gründet, eine Sünderin und dann eine Hure. Das Dialogevangelium mit Maria beschreibt eine Kontroverse: Maria als besondere Vertraute Jesu hätte noch zusätzliche Botschaften von Jesus bekommen. Zuerst fragen die Jünger nach, aber dann kommt die Beschwerde: Was soll man schon auf das Zeugnis einer Frau geben? Der Text wurde später als häretische Schrift angesehen und nicht weiter überliefert.

Aus Apostelin wird Apostel

Die Existenz und Rolle von Frauen wurde im Laufe der Verschriftlichung der Kirchengeschichte also verfälscht oder aus der Bibel herausgelöscht?

Heil: Gerade in den Briefen des Apostels Paulus tauchen viele Frauen auf, etwa werden am Schluss des Römerbriefs und des Korintherbriefs Grüße an Frauen mitgeschickt. Durch falsche Überlieferung wurde aus der Apostelin Junia der Apostel Junias. Das ist wahrscheinlich der Selbstverständlichkeit eines Schreibers geschuldet, der sich einen Apostel nicht anders als männlich vorstellen konnte.

Durch falsche Überlieferung wurde aus der Apostelin Junia der Apostel Junias.

Im ersten Korintherbrief heißt es: „Die Frau schweige in der Gemeinde.“ Ein Hinweis darauf, dass Frauen in Wirklichkeit mehr mitredeten und eben nicht schwiegen?

Heil: Das ist die exegetische Methode der Hermeneutik des Verdachts: Solche Passagen muss man gegen den Strich bürsten. Denn: Wenn Frauen sowieso geschwiegen hätten, bräuchte das keiner zu schreiben. In der Anfangszeit des Christentums engagierten sich sehr viele Frauen. Ein Beispiel dafür ist die Erzählung über Thekla. Als Thekla den Apostel Paulus in Ikonium predigen hört, wird sie fürs Christentum gewonnen, entfremdet sich dadurch aber von ihrer Familie. Ihr Verlobter ist davon nicht angetan. Thekla und Paulus wird der Prozess gemacht, sie wird zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Nur durch eine Wundererzählung kommt sie da wieder raus, verlässt die Stadt und geht nach Antiochia. Weil sie sich den Avancen eines schönen und einflussreichen Mannes erwehrt, wird sie erneut verhaftet und verurteilt. Sie wird in ein Wasserbassin mit wilden Robben geworfen. Wie ein Wunder überlebt sie erneut und interpretiert diese Erfahrung als eine Taufe. Der nordafrikanische Theologe Tertullian kritisiert um 200 diese Erzählung. Der Hintergrund war offenbar: Die Frauen in Karthago würden sich unter Verweis auf diese Thekla Erzählung anmaßen, zu predigen und zu taufen.

Welche Ansatzpunkte für Feminismus und Gleichberechtigung wurden überliefert?

Heil: Etwa schreibt Paulus im Galaterbrief Kapitel 3, Vers 28: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau, denn ihr seid allesamt eins in Christus.“ Wenn die Unterschiede vor Gott aufgehoben werden, bietet das auch im Hier und Jetzt die Möglichkeit für gleiche Rechte. 

Außerdem wird das Bild vollständiger, wenn man zu der Standard-Kirchengeschichte der Männer die Perspektive der Frauen dazu erzählt. Etwa zur Reformationszeit im 16. Jahrhundert: Nicht nur Martin Luther zog Spott und Häme auf sich, als er heiratete. Das größte Gespött musste seine Frau, Katharina von Bora, ertragen, die als Hure beschimpft wurde, weil sie sich mit einem Priester einließ. Heute würden wir von Hate Speech sprechen.

 

AUF EINEN BLICK

Uta Heil ist evangelische Kirchenhistorikerin und Dekanin der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Ihre Forschungen betreffen das Christentum im Altertum, insbesondere in der Spätantike. Die Bandbreite erstreckt sich von der Auslegung der Schriften der sogenannten „Kirchenväter“ bis hin zu theologischen Diskussionen wie dem trinitarischen Streit sowie verschiedenen Prozessen der Christianisierung.

Zur Veranstaltung